Rechte und Pflichten der Arbeitnehmenden im Baugewerbe in der Schweiz

Sie möchten wissen, ob Ihr Lohn korrekt ist oder die Arbeitsbedingungen in Ihrem Betrieb den Vorschriften entsprechen?

Als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer im Baugewerbe geniessen Sie den gesetzlich vorgeschriebenen und in Gesamtarbeitsverträgen (GAV) definierten Arbeitnehmerschutz. Hier finden Sie einen Überblick zu Ihren Rechten und Pflichten sowie Hinweise auf Kontaktstellen und weitere Hilfestellungen.

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Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
Definition

Arbeitnehmende sind Personen, die im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses weisungsgebundene, abhängige Arbeit gegen Entgelt in einem Betrieb oder einem Unternehmen leisten. Sie sind aufgrund eines Arbeitsvertrages verpflichtet, ihre Arbeitskraft ihrem Arbeitgeber oder ihrer Arbeitgeberin zur Verfügung zu stellen. Arbeitnehmende haben eine Arbeitspflicht sowie diverse Treupflichten.

Alle Informationen auf einen Blick!

In Kürze: Das müssen Sie beachten.

Checkliste

Diese Ansprüche haben Sie als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer:

  • Lohnzahlung: Sie haben Anspruch auf eine regelmässige Lohnzahlung.
  • Mindestlohn: In einigen Branchen gibt es einen verbindlichen Mindestlohn, der von den Kantonen oder im GAV festgelegt wird. Sie haben einen Anspruch auf diesen Mindestlohn.
  • Gesamtarbeitsverträge: In einigen Branchen gibt es Gesamtarbeitsverträge (GAV). Unterstellte Unternehmen sind verpflichtet, die Vorschriften dieser Verträge einzuhalten.
  • Lohngleichheit: Unternehmen sind verpflichtet, für gleiche Arbeit gleiches Entgelt zu zahlen, unabhängig von Geschlecht, Nationalität oder Alter.
  • Ferien und Feiertage: Sie haben Anspruch auf bezahlte Ferien und Feiertage gemäss den gesetzlichen Bestimmungen.
  • Krankheit: Im Krankheitsfall haben Sie einen Anspruch auf Lohnfortzahlung.
  • Arbeitszeugnis: Sie haben Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
  • Mutterschaft: Sie Anspruch auf Lohnzahlung während des Mutterschaftsurlaubs.

Arbeitnehmende haben auch Pflichten.

Konsequenzen

Als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer haben Sie eine Sorgfalts- und Treuepflicht gegenüber Ihrer Arbeitgeberin. Verletzen Sie diese Pflichten kann das ein Kündigungsgrund sein. Eine fristlose Kündigung ist nur bei schweren Verstössen erlaubt. Haben Sie die Pflichtverletzung zu verschulden, haften Sie allenfalls sogar für den entstandenen Schaden.

Gut zu wissen

Tipps

Als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer haben Sie weitere Pflichten. Die gesetzlichen Regelungen verpflichten Sie u.a. Schwarzarbeit zu vermeiden. Wer Schwarzarbeit leistet, handelt illegal. Weitere Infos zum Thema Schwarzarbeit.

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Lohn und Entschädigung

Welcher Lohn steht Ihnen zu? Wie werden Überzeit, Nachtarbeit und Pikettdienst entschädigt?

Grundsätzlich können in der Schweiz die Löhne frei verhandelt werden. Für verschiedene Branchen oder Wirtschaftszweige gelten jedoch zwingende Bestimmungen, die einen Mindestlohn festlegen.

Diese Mindestlöhne werden durch Normalarbeitsverträge (NAV), Gesamtarbeitsverträge (GAV) oder kantonale Vorschriften geregelt. Viele Branchen im Baugewerbe kennen solche GAV. Mindestlohn-Regelungen sind daher im Bauwesen sehr verbreitet.

Was ist ein Mindestlohn?

Ein Mindestlohn ist Ihr Anspruch auf Entlöhnung in dem verbindlich vorgeschriebenen Umfang. Ihr Arbeitgeber darf mit Ihnen darüber hinaus natürlich jederzeit einen höheren Lohn vereinbaren. Der festgelegte Mindestlohn bestimmt lediglich eine verbindliche Untergrenze.

Die in den GAV festgelegten Mindestlöhne sind in der Regel nach verschiedenen Faktoren abgestuft (bspw. Alter, Position, Ausbildung). In einem GAV sind weitere für den Lohn relevante Bestimmungen geregelt (bspw. Entschädigung von Überstunden).

Für wen gilt der Lohnschutz im GAV?

Die in einem GAV vorgesehenen Mindestlöhne gelten für alle Arbeitnehmenden

  • von Unternehmen, die dem GAV angeschlossen sind, und
  • von Unternehmen, die in einer Branche tätig sind, für die ein allgemeinverbindlicher GAV besteht.

Die Regeln von Gesamtarbeitsverträgen, die für allgemeinverbindlich erklärt wurden, gelten automatisch für alle Unternehmen sowie alle Arbeitnehmenden der entsprechenden Branche.

Was gilt, wenn kein GAV vorliegt?

Unternehmen, die keinem GAV unterstellt sind und sich nicht freiwillig angeschlossen haben, müssen sich an die orts- und branchenüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen halten. In Branchen und Regionen mit häufigem Missbrauch können die Kantone Normalarbeitsverträge (NAV) mit zwingenden Mindestlöhnen erlassen.

Was können Sie tun, wenn Ihre Arbeitgeberin die Mindestlöhne unterschreitet?

Zur Beurteilung von Streitigkeiten aus dem einzelnen Arbeitsverhältnis sind die nach Kantonen organisierten Zivilgerichte zuständig. Bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von CHF 30'000.--

  • gilt ein vereinfachtes Verfahren;
  • dürfen den Parteien weder Gebühren noch Auslagen auferlegt werden (ausser bei mutwilliger Prozessführung);
  • stellt das Gericht den Sachverhalt von Amtes wegen fest.

Örtlich zuständig ist das Gericht am Wohnsitz oder Sitz der Partei, gegen die eine Klage eingereicht wird, oder am Ort, an dem die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer gewöhnlich die Arbeit verrichtet. Für Klagen einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers im Zusammenhang mit Personalvermittlung oder Personalverleih ist zusätzlich das Gericht am Ort der Geschäftsniederlassung des Vermittlungs- oder Verleihbetriebs zuständig. Bei vorübergehend entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist zusätzlich das Gericht am Entsendeort zuständig, soweit die Klage die Zeit der Entsendung betrifft.

Im Falle einer Lohnstreitigkeit, empfehlen wir allen Parteien, sich hinsichtlich ihrer Rechte und Möglichkeiten juristisch beraten zu lassen.

Melden Sie Verstösse gegen Mindestlohn-Vorschriften bei uns. Sie können dazu unser anonymes Meldeformular ausfüllen.

Wer kontrolliert die Einhaltung der Vorschriften?

Die Vorschriften zum Mindestlohn und zu den minimalen Arbeitsbedingungen werden behördlich bzw. durch die Sozialpartner kontrolliert. Unternehmen, die gegen die Regeln verstossen, werden sanktioniert. Die AMKB ist für die Kontrollen der Betriebe des Baugewerbes sowie der Baustellen in den Kantonen Basel-Landschaft und Basel-Stadt zuständig.

Arbeits- und Ruhezeiten

Als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer haben Sie ein Recht auf Einhaltung der maximalen Anzahl Arbeitsstunden pro Woche. Es steht Ihnen zudem eine minimale Ruhezeit zwischen den Arbeitseinsätzen zu.

In der Baubranche werden die Arbeits- und Ruhezeiten regelmässig in Gesamtarbeitsverträgen (GAV) geregelt. Angestellte der Unternehmen, die einem GAV unterstellt sind, haben einen Anspruch gegenüber ihrem Arbeitgeber, dass die vorgeschriebenen Standards eingehalten werden. Zu Gunsten der Arbeitnehmenden darf jedoch von diesen Mindestvorschriften abgewichen werden. Es ist also zulässig, dass Ihnen eine tiefere Anzahl der maximalen Wochenarbeitszeit oder eine längere Ruhezeit zwischen den Einsätzen gewährt wird.

Was ist Arbeitszeit?

Es handelt sich um die Zeit, während der Sie sich zur Verfügung Ihrer Arbeitgeberin zu halten haben (Art. 13 Abs. 1 Arbeitsgesetz).

Ihr Arbeitsweg wird nicht zu Ihrer Arbeitszeit gerechnet. Müssen Sie Ihre Arbeit jedoch ausserhalb des üblichen Arbeitsortes verrichten, und verlängert sich dadurch Ihr Arbeitsweg, so stellt die zusätzliche Wegzeit Arbeitszeit dar. Spezielle Regelungen zum Arbeitsweg gelten zudem im Entsendebereich.

Pausen gelten als Arbeitszeit, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer den Arbeitsplatz nicht verlassen darf. Die Mittagspause ist daher in der Regel keine Arbeitszeit, weil Sie den Arbeitsplatz verlassen dürfen. Ausnahmen sind möglich.  

Mehrarbeit: Überstunden und Überzeit

Überstunden sind die positive zeitliche Differenz zwischen der von Ihnen geleisteten und der normalen Arbeitszeit. Als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer sind Sie zur Leistung von Überstunden verpflichtet, soweit Sie es zu leisten vermögen und es Ihnen zugemutet werden kann (vgl. Art. 321c Abs. 1 OR).

Überschreitet Ihre effektive Arbeitszeit nicht nur die normale Arbeitszeit sondern auch die gesetzliche Höchstarbeitszeit, handelt es sich um Überzeit. Das Arbeitsgesetz legt folgende wöchentlichen Obergrenzen fest:

  • 45 Stunden in industriellen Betrieben sowie Büropersonal und andere Angestellte (bspw. im Detailhandel);
  • 50 Stunden für alle übrigen Angestellten.

In Betrieben mit witterungsbedingtem Arbeitsausfall oder mit erheblichen saisonalen Schwankungen des Arbeitsanfalles kann die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 45 bzw. 50 Stunden um höchstens 4 Stunden verlängert werden, sofern sie im Durchschnitt eines halben Jahres nicht überschritten wird.

Für Arbeitnehmende mit einer im Durchschnitt des Kalenderjahres gewährten 5-Tage-Woche kann die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 45 Stunden

  • um 2 Stunden, sofern sie im Durchschnitt von 8 Wochen nicht überschritten wird, oder
  • um 4 Stunden, sofern sie im Durchschnitt von 4 Wochen nicht überschritten wird,

verlängert werden.

Neben dem Arbeitsgesetz sind die einschlägigen Gesamtarbeitsverträge massgebend. Für mehr Informationen informieren Sie sich also in dem für Ihre Branche anwendbaren GAV.

Kann ich zur Leistung von Überzeit verpflichtet werden?

Als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer können Sie nur eingeschränkt zur Leistung von Überzeitarbeit verpflichtet werden. Die Anordnung von Überzeit ist nur im Tages- und Abendzeitraum erlaubt und darf einzig aus den folgenden Gründen geleistet werden:

  • wegen Dringlichkeit der Arbeit;
  • wegen ausserordentlichen Arbeitsandranges;
  • für Inventaraufnahmen, Rechnungsabschlüsse oder Liquidationsarbeiten;
  • zur Beseitigung von Betriebsstörungen.

Zudem darf Ihre maximale Überzeit pro Kalenderjahr 170 Stunden nicht überschreiten (bei einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 45 Stunden) beziehungsweise 140 Stunden (bei einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 50 Stunden).

Ferner muss Ihre Überzeitarbeit grundsätzlich mit einem Zuschlag von 25% entschädigt oder mit Ihrem Einverständnis durch Freizeit von gleicher Dauer kompensiert werden .

Welchen Anspruch auf Ruhezeiten habe ich?

Als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer dürfen Sie höchstens an sechs aufeinanderfolgenden Tagen arbeiten. Danach müssen Sie zwingend ein Ruhetag beziehen.

Sie haben zudem einen Anspruch auf Pausen. Diese dienen der Erholung, Ernährung und Freizeit. Sie dürfen den Arbeitsplatz in diesen Pausen grundsätzlich verlassen. Es gelten folgende Mindestpausen:

  • Arbeitszeit von mehr als 5,5 Stunden: ¼ Stunde
  • Arbeitszeit von mehr als 7 Stunden: ½ Stunde
  • Arbeitszeit von mehr als 9 Stunden: 1 Stunde

Sie haben Anspruch auf mindestens 11 Stunden Ruhezeit zwischen zwei Arbeitstagen. Die tägliche Ruhezeit darf einmal pro Woche auf 8 Stunden verkürzt werden, sofern im Durchschnitt von zwei Wochen eine tägliche Ruhezeit von 11 Stunden eingehalten wird.

Wie viel Ferien stehen mir zu?

Als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer haben Sie Anspruch auf mindestens 4 Wochen bezahlte Ferien pro Jahr. Auch hier sind besondere Vorschriften in den GAV zu beachten.

Zusätzlich haben Sie einen Anspruch auf bezahlte Feiertage.

Muss ich Nachtarbeit leisten?

Es ist grundsätzlich untersagt, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausserhalb der betrieblichen Tages- und Abendarbeit zu beschäftigen. Nachtarbeit und Sonntagsarbeit sind daher grundsätzlich nur mit einer behördlichen Bewilligung zulässig. Von dieser Bewilligungspflicht ausgenommen sind Branchen oder Gruppen von Arbeitnehmenden, für die der gesetzliche Zeitrahmen nachweislich zu eng ist (vgl. Verordnung 2 zum Arbeitsgesetz).

Bei Leistung von Nacht- und Sonntagsarbeit haben Sie grundsätzlich Anspruch auf einen Zeit- oder Lohnzuschlag.

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Sorgfalts- und Treuepflicht

Angestellte haben eine umfassende Sorgfalts- und Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber. Dies bedeutet insbesondere, dass die Interessen des Arbeitgebers Vorrang haben und vom Arbeitnehmer gewahrt werden müssen. Die Sorgfalts- und Treuepflicht stellen einen wichtigen Teil der Pflichten des Arbeitnehmers dar. Die weiteren Pflichten umfassen das Schwarzarbeitsverbot, die Geheimhaltungspflicht sowie die Rechenschafts- und Herausgabepflicht (alle Pflichten des Arbeitnehmers).

Der Arbeitnehmer hat die ihm übertragene Arbeit sorgfältig auszuführen. Er hat dabei Maschinen, Arbeitsgeräte, technische Einrichtungen und Anlagen sowie Fahrzeuge des Arbeitgebers fachgerecht zu bedienen und diese sorgfältig zu behandeln (Art. 321a Abs. 2 OR).

Die allgemeine Treuepflicht verpflichtet Arbeitnehmende, die berechtigten Interessen der Arbeitgeberin in guten Treuen zu wahren. Das bedeutet, dass Angestellte alles zu unterlassen haben, was der Arbeitgeberin wirtschaftlich schaden könnte. Er hat also insbesondere pflicht- und rechtswidriges Verhalten zu unterlassen, dass sich gegen Mitarbeitende, die Arbeitgeberin, Kund:innen und Lieferant:innen richtet.

Weiter müssen sich die Arbeitnehmenden für die Unternehmensziele einsetzen sowie Störungen und Unregelmässigkeiten melden respektive diese, soweit möglich, beheben oder verhindern.

Folgende Verhaltensweisen stellen unter anderem Treuebrüche dar:

  • Verbrechen und ungebührliches Verhalten gegenüber der Arbeitgeberin
  • Annahme von Schmiergeldern
  • Abwerbung von Mitarbeitenden, Kund:innen oder Lieferant:innen
  • Störung des Betriebsfriedens
  • Verletzung von Mitteilungs- und Auskunftspflichten

Die Treuepflicht der Arbeitnehmenden darf natürlich die eigene Gesundheit nicht gefährden. Diese geht immer vor. Ebenso müssen sich Arbeitnehmende auch nicht finanziell für die Arbeitgeberin einsetzen (z.B. Darlehen gewähren oder Vorschüsse leisten).

Auch die Meinungs- und Religionsfreiheit der Arbeitnehmernden darf nicht eingeschränkt werden. Im Rahmen der Grundrechte ist die Abwägung im Verhältnis zur Treuepflicht oft im Einzelfall vorzunehmen. Auch Arbeitnehmende können sich nicht in jedem Fall auf die Grundrechte berufen. Ein streng religiöser Postbote muss trotz der Religionsfreiheit die Post von Sekten austragen, die seinem Glauben entgegenstehen.